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Purpose oder Pose pur: PR verspielt eine große Chance

PR-Abteilungen sollten beim Purpose der Öffentlichkeitsarbeit zuhören. © Hush Naidoo @ unsplash

Worthülsen und Allgemeinplätze bestimmen die Purpose-Formulierungen der DAX-Konzerne. Die Definitionen des unternehmerischen Beitrags zur Gesellschaft wagen kaum Prägnanz, um sich abzugrenzen und eine klare Botschaft zu vermitteln. Vier Punkte, die bei der Purpose-Findung wichtig sind.

Bei der Unternehmensstrategie beantworten Mission und Vision vor allem die Fragen nach dem jetzigen Wie und dem zukünftigen Was. Der Purpose, der seit diesem Jahr verstärkt beschworen wird, zielt nun auf das Warum, auf Sinn und Bestimmung, und die Wirkung einer Organisation auf ihr Umfeld. Oft wird der Purpose als Beitrag zu einer besseren Welt verstanden, aber ob das die Gesellschaft bei unseren Aktienprimi auch so sehen würde?

Wer übernimmt Verantwortung?

Die Corporate Social Responsibility (CSR) wird aus Reputationsgründen seit den 90ern betont. Das umfasst bis heute in vielen Fällen kaum mehr als einige nicht allzu einschneidende Maßnahmen zum Umweltschutz, die gebleichtes Druckerpapier und sportliche Firmenwagen ungern anfasst. Boschs mutige Ankündigung, schon dieses Jahr klimaneutral zu sein, versteckt sich bislang hinter sperrigen Formulierungen, die vergessen, dass das jeden betrifft und jeder verstehen sollte. Daneben gibt es beim CSR oft Selbstverständlichkeiten, die (leider) Wertschätzung gegenüber Kund.innen und Respekt gegenüber allen Angestellten einfordern, und dosierte Mildtätigkeit.

Seit Mitte der 2000er-Jahre und dem Aufschwung von Social Media gibt es immer wieder Vorstöße von Unternehmensführer.innen, in politischen oder gesellschaftlichen Fragen Stellung zu beziehen. Frühe Beispiele sind die Firmengründer Wolfgang Grupp vom standorttreuen Trigema oder Ralf Däinghaus von Docmorris, der auf Twitter für Apothekenketten und -versand eher aus ureigenem Interesse wetterte. Siemenschef Joe Kaeser gibt sich gewohnt politisch, wird in sechs Monaten aber wohl nicht nur als CEO eine Lücke hinterlassen. Gesellschaftlich relevante Beiträge liefern Unternehmen weiterhin selten, auch wenn Corona die Notwendigkeit vor Augen geführt hat.

Die Absichten der DAX-Konzerne

Einen Purpose haben neunzehn der dreißig umsatzstärksten deutschen Aktiengesellschaften, letztes Jahr waren es erst zehn. Mit welchen Statements definieren sie ihren Anteil an der gesellschaftlichen Entwicklung?

  • Adidas möchte durch Sport Leben verändern, hat augenscheinlich sein PR-Desaster über angekündigte Mietstundungen im Lockdown gut verdaut und übergeht seine Produktionsbedingungen.
  • BMW stellt sich etwas allgemein auch ökologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen, die in der „Stoßrichtung“ dann keinen Platz mehr finden.
  • „First Move the World“, findet die Autosparte von Daimler, will nur klimaneutral produzieren, verschweigt aber ihre Abgasbilanz.
  • Die Post glaubt, sie könne Menschen verbinden und Leben verbessern, indem sie Handel ermöglicht und Unternehmen beim Wachsen hilft.
  • SAP will Ähnliches und immerhin Umwelt, Gemeinschaft wie jeden Einzelnen davon profitieren lassen.
  • Als „#Positiver Beitrag“ genügt es der Deutschen Bank derweil, für Kunden da zu sein; Reumütigkeit nach etlichen Skandalen ist was für Weicheier!
  • RWE verspricht „Our energy for a sustainable life“ – ob das dem Kohlekraftkonzern jemand abnimmt?
  • Lediglich Siemens scheint einen Paradigmenwechsel zu vollziehen und unterstellt sich der Gesellschaft wie seinen Stakeholdern:
„Unsere Bestimmung: Wir dienen der Gesellschaft. Wir schaffen Wert für alle unsere Stakeholder. Wir verwirklichen, worauf es ankommt.“ (Purpose auf der Website von Siemens)

Ist Purpose ein PR-Manöver?

Die Beispiele zeigen eine Tendenz, Purpose als Handpuppe der Unternehmenspropaganda mit euphemistischen Inhalten und glatt gebügelten Phrasen zu missbrauchen. Horváth & Partner haben den Purpose der DAX- und MDAX-Konzerne untersucht und überwiegend sich ähnelnde Floskeln ausgemacht. Offenbar trauen sich Berater.innen nicht, Ehrlichkeit bei der Analyse einzufordern, der Organisationsspitze als Formulierung vorzulegen und sich gegen Aufweichungen zu wehren. Anstatt Besinnung, Neuorientierung oder Nachhaltigkeit anzustimmen, zahlen Großunternehmen für Selbstbestätigungen eines konzerninternen Erfolgsdenkens, die öffentlich kalt lassen und selbst intern meist unbekannt bleiben.

Kaum ein Unternehmen lässt die Absicht erkennen, das Ohr nach draußen zu halten und Stakeholdern zuzuhören, geschweige denn, verantwortungsbewusst voranzuschreiten und den Purpose mit Zielen und konkreten Maßnahmen auszurollen. Dabei könnten PR-Profis damit in vielen Fällen Image reparieren, langfristig Vertrauen aufbauen, ein zukunftsfähiges Kommunikationskonzept aufsetzen. So könnten sie künftige Skandale und Shitstorms vermeiden und Public Relations als strategierelevant verankern.

Purpose-Konzeption ist nicht schwer, aber fordernd

1. Die Analyse zur Purpose-Findung muss Impulse aus den vier Teilsystemen Unternehmen, Stakeholder, Gesellschaft und Umwelt aufgreifen und als Essenz verdichten. Dazu bedarf es eine gehörige Position Offenheit und Ehrlichkeit zu sich selbst – und manchmal auch Überzeugungsarbeit, damit externe Einflüsse in die Unternehmensstrategie einfließen dürfen.

2. Ein Purpose ist größer als der Fortbestand des jetzigen Unternehmens und dessen Umsatzausbau. Eine zukunftsfähige Organisation muss im Kern wandlungsfähig sein und Grenzen zwischen oben und unten, ex- und intern, Kunden und Öffentlichkeit, Share- und Stakeholdern, Industrie- und Entwicklungsländern sowie Menschen und Umwelt überschreiten.

„Öffentlichkeitsarbeit bedeutet für die KontextLiga auch, der Öffentlichkeit zuzuhören und mit ihr zu arbeiten.“

Dr. Jochen Weiß, Gründer der KontextLiga

3. Purpose muss nicht Purpose heißen. Je nach Geschichte, Kultur und Vorstandspersönlichkeit mag er (Gesellschafts-)Beitrag, Bestimmung, Partizipationsprinzip, Verantwortungsmaxime, Unternehmenssinn oder Umfeldnutzen genannt werden. Herauskommen muss ein Leitsatz, der aus dem Herzen des Unternehmens spricht – zu seinen Angehörigen wie zur Gesellschaft.

4. Purpose will leben. Führungskräfte müssen ihn mit Gesten sicht- und erlebbar machen. Die Unternehmenskultur muss sich auf ihn einstellen, nicht zuletzt müssen Maßnahmen umgesetzt werden, die den Purpose bis in den Arbeitsalltag tragen und von dort Botschaften an in- und externe Zielgruppen generieren.

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Impulse PR-Arbeit

Die PR-Abteilung wird zur PR-Beratung

Unternehmenskommunikation wird zur internen PR-Beratung, die Kommunikationskonzepte erstellt,  aber anderen die Bühne überlässt und mehr organisiert und berät. © Matheus Bertelli @ pexels

Unternehmenskommunikation muss nicht nur kommunizieren, sondern verstärkt Kommunikation ermöglichen. Das gilt für die Personalabteilung, aber auch für Social Media und die Ansprache der Öffentlichkeit.

In vielen Fällen wirkt es authentischer, wenn die jeweils Zuständigen sich zu Wort melden, während Corporate Communications den Rahmen schafft und dabei berät. Sie gibt in einem Kommunikationskonzept Leitlinien vor und macht Vorschläge für die Themenauswahl. Sie liest Textentwürfe mit Außenblick und macht die Sprache verständlicher und runder. Bei allen Inhalten sorgt sie dafür, dass Corporate Design, Wording und Fakten auf dem neuesten Stand sind, und managt die Produktion. Sie stellt Kontakte zu Medien her und bereitet auf den Austausch inhaltlich wie formell vor. Und sie schätzt Reaktionen wie Folgen ab und bereitet die Absender darauf vor.

Human Resources Content by humans

Interne Meldungen kommen häufig aus der Personalabteilung. Wenn ihre Mitarbeitende diese verbreiten, verleihen sie den Inhalten eine persönliche Note – gleich ob in der Rundmail, in der Mitarbeiterzeitschrift oder in der App. Die gleiche Aufgabenteilung empfiehlt sich für alle Maßnahmen im Employer Branding – so lernen Interessierte ihre Ansprechpartner.innen gleich kennen und können diese kontaktieren, um sich für eine Karriere beraten zu lassen. Nicht zuletzt gilt das auch für Stellenangebote. Ihre Formulierungen sollte PR jedoch mal unter die Lupe nehmen – um das Unternehmen ohne Worthülsen vorzustellen und eine frische Ansprache einzubringen.

Social Media ist mehr als der Facebook-Auftritt

Den ersten Eindruck von Unternehmen gewinnen Außenstehende oft über Bekannte, die dort arbeiten. Was diese erzählen und in Social Media verbreiten, entscheidet über das Image. PR-Schaffende tun gut daran, Botschaften für das Unternehmen zu kreieren, die Mitarbeitende mit Stolz verbreiten – wie zuletzt die BASF, die die Regenbogenflagge hisste. Sicher hilft hier mal die Frage an Kolleg.innen, worauf sie in der Organisation stolz sind oder wären. Sind es die Produkte, die interessanten Kolleg.innen, das Betriebsklima oder CSR? Die andere Seite sind aufschlussreiche Hinweise und Best Practices zu Branchen- oder Allgemeinthemen wie Arbeitsorganisation oder sozialen Umgang. So verbreiten die Angestellten Unternehmensbotschaften gern auch über LinkedIn und Xing.

Social Media ermöglicht den Austausch auf vielerlei Ebenen. Da geht es um den klassischen Funnel im Marketing, das Kunden- wie das Reklamationsmanagement. Ihre Zielgruppe beziehen Produktmarketer dagegen noch viel zu selten ein, wenn sie Ideen für neue Produkte und Feedback einholen wollen. Hier sind Kommunikationsexpert.innen gefragt, die einen unverkrampften und produktiven Austausch gestalten und begleiten können – sowohl in technischer wie inhaltlicher Hinsicht. Und es gibt weiter Ansätze: Wie kann sich die Entwicklung besser vernetzen, um von Trends zu erfahren? Wie können Standorte mit ihrer Nachbarschaft in Kontakt treten? Und wie kann sich die Unternehmenskommunikation verschiedener Einheiten selbst aufwandsarm und zeitnah austauschen, um Stimmen für ein Bildkonzept oder eine Reaktion auf Social Media einzuholen?

Eine Organisation braucht ein Gesicht

In Krisenzeiten, aber auch in anderen emotionalen Situationen wäre es nicht zu vermitteln, wenn eine Vorstandsvorsitzende ihren Pressesprecher vorschickt. Die Bahn tut sich keinen Gefallen, wenn bei gehäuften Verspätungen ihr Chef Richard Lutz dem Mikrofon fernbleibt: Wie will man der Öffentlichkeit damit vermitteln, dass an der Pünktlichkeit mit Hochdruck gearbeitet wird? Es scheint doch eher, dass Verspätungen zum Alltag gehören.

Auch im Alltagsgeschäft gilt es, einer Organisation ein Gesicht zu geben. Joe Kaeser von Siemens und Götz Werner von dm zeigen, wie Meinungsstärke Aufmerksamkeit schafft. Journalist.innen wollen sowieso lieber mit dem Vorstand reden als mit der PR-Abteilung – oft haben Medienschaffende den Eindruck, dass diese nicht die wahren Probleme der Organisation kennt oder sie weniger authentische Aussagen liefern würde.

Selbstkritisch muss die PR-Branche einräumen, dass sie teilweise eigene Rufschädigung betrieben hat: Zwar nimmt das Verständnis zu, was Journalist.innen zur Arbeit brauchen. Aber es gibt immer noch zu viele Pressemitteilungen, die die Außenperspektive vermissen lassen und aufdringliches Selbstlob beinhalten. Das liegt zwar oft daran, dass das journalistische Verständnis nicht auf Produktmarketer und den final freigebenden Vorstand übergreift. Aber auch PR-Schaffende haben sich glatt gebügelte Statements aus der Politik abgeschaut. Es wäre gut, wenn sie verstärkt als Dienstleister auftreten und mehr Haltung und Charakter zeigen – nach innen wie nach außen. So verdienen sie sich Respekt in anderen Abteilungen für ihre komplexen Aufgaben – auch in der Öffentlichkeit.