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Content Konzepte

Consequent Content: Was Content-Marketing sein könnte

Consequent Content ist der neue Zielgruppenfokus beim Content-Marketing. © Michael Gaida @ pixabay

Was, wenn man Content-Marketing konsequent von der Content-Seite aus betrachtet und das Produktmarketing hintenanstellt? Dann bekommen Zielgruppen endlich das, was sie sehen und hören wollen. Und unterstützen das Produkt dahinter wie selbstverständlich.

Content-Marketing im B2C ist bislang die etwas indirektere Werbung mit Inhalten. Diese Inhalte stehen dem Produkt thematisch mehr oder weniger nahe, um Kauf und Verwendung anzukurbeln: in besseren Fällen Restaurantführer zu Autoreifen, Heimwerkerprojekte zu Baumärkten und Action-Sport zu Energiegetränken. Oft leider nur erweiterte Serviervorschläge sowie „Insights“ und „Storys“, die immer noch erzählen, wie dufte die Company ist.

Content-Marketing auf die Füße gestellt

Fragt man die Zielgruppe, was sie rezipieren will, liegen andere Themen näher: spannende Serien, herzrührende Filme, groovige Songs – mitunter ein packender Schmöker. Sport für Spannung und Miteinander. Humor in all vielen Facetten. Fails, Pranks und Cat-Content vielleicht für regressive Phasen. Auch Nachrichten (68 % in D) und gern konzentrierte Tipps und Tools zur Alltagserleichterung ohne einen plumpen Produkthinweis. Wenn die Zielgruppe das bekäme: Würde sie im Laden nicht das Produkt wählen, das mit eben diesem geschätzten Content gelabelt ist?

Das gilt natürlich vor allem für austauschbare Consumer Goods: Konsument.innen greifen zur Cola, die gestern Abend noch mit Fantasy unterhielt. Oder zum fairen Kaffee des Weltspiegels. Konsequent weitergedacht würden Sender und Verlage eben den hochwertigen und unterhaltsamen Content bekommen, den sie sonst selbst produzieren oder einkaufen müssen – und wären Garanten für Qualität und Unabhängigkeit, auch wenn sich im Abspann „unterstützende Produkte“ vorstellen. Ein Krimi ist dann halt „Dauerwerbesendung“ und erhält Product Placement in kreativen Formen – schlechter muss er nicht sein. Angehängt an den Content gäbe es je nach Produktionskosten ein beschauliches Merchandising oder ein aufwändiges wie bei Star Wars. So wechselt die Perspektive: Content-Marketing ist, was den Abverkauf von Produkten zur Content-Finanzierung fördert und mit diesen Produkten für den Content wirbt.

Die Rolle der Sender, Verlage und Buchläden

Wenn für Ausstrahlung und Abdruck trotzdem Geld fließt, weil der Content geschaltet wird, könnten sich Sender und Verlage auf investigative und Nischeninhalte konzentrieren. Aber lokale Nachrichten, Kulturrezensionen und Vermischtes müssen nicht schlechter sein, weil ein Stromversorger die Journalist.innen bezahlt. Selbstverständlich versuchen Content-Anbieter.innen dann, ihre Inhalte in Form von Owned Media an den Paid Media vorbeizuschmuggeln. Gerade Content für spitze Zielgruppen kann sich kaum leisten, auch noch für das Medium zu bezahlen. Und ebensolches gilt für Content Creator, die keine Alltagsprodukte anbieten und deren Marge nicht groß genug ist, um Massen-Content zu produzieren und den auch noch zu schalten.

Das Gros der Konsument.innen wird trotzdem seine Lieblingskanäle aufsuchen, denn diese kosten nichts, garantieren geprüfte Inhalte und ersparen das Zusammensuchen von Inhalten im Netz – sonst wäre lineares Fernsehen jetzt schon tot. Letztendlich muss die Masse entscheiden, ob sie Content von Medien wertschätzt und durch ihren Einkauf das Signal gibt, diese Medien weiter zu bespielen. Klug ist aber eben das Medium, das seine eigenen Produkte vertreibt, um Infrastruktur und eigene Inhalte zu refinanzieren. Welche das sind, ist relativ egal – Hauptsache, ihr Wertekanon passt weitgehend zum Image der Inhalte. Aber Themennähe ist sympathisch: So können Politmagazine gern Tierprodukte offerieren, die sind dann auch recherchiert anständig – und wehe, wenn nicht! Nur über Tierwirtschaft kann dieses Politmagazin dann nicht mehr berichten.

Der Traum der KontextLiga wäre, wenn Content weitgehend kostenlos und damit egalitär wäre. Content-Orte wie das Kino finanzieren sich durch eigene Ladenflächen (und durch hochpreisige Knabbereien). Museumsshops haben endlich auch ein Tiefkühlregal und Theater im Foyer Kosmetik. Der Stadionbesuch ist kostenlos, aber das Werder-Müsli ist Ehrensache. Wir lesen Romane gratis, aber erwerben natürlich auch ein Rowohlt-Fahrrad, das im Buch vorkommt und auf der letzten Seite prankt. Wie schon jetzt obliegt es uns, den Bezugskanal zu wählen: Weil wir Buchläden weiterhin wollen, kaufen wir dort auch Lebensmittel und entrichten für Bücher lediglich einen Beratungs- und Besorgungsobolus. Alternativ: Für das Ereignis Buchhandlung zahlen wir jedes Mal Eintritt, aber dürfen drei Wälzer kostenlos mitnehmen. Oder für eine Jahresmitgliedschaft so viele, wie wir wollen.

Das Ende der Werbung

Jegliche Reklame mit schicken Bildern und markigen Sprüchen könnte sich so totlaufen. Auch wenn argumentfreie Werbung sicher emotional bzw. unbewusst eine Wirkung entfaltet: Konsument.innen lernen, Werbung im Wahrnehmungsstrom auszublenden, werden mündiger, versperren sich teilweise sogar grundsätzlich allen Markenaussagen. Selbst dem einfältigsten Konsumenten dürfte zumindest klar sein, dass er die heilen Welten nicht betreten wird, die ihm versprochen werden.

Weil unterhaltender Content relativ banal, vor allem aber der Erfolg als Blockbuster schwer vorauszusagen und zu halten ist, wird Responsible Content in Kommunikationskonzepten florieren: Sendezeit und Anzeigenplatz beinhalten so relevante Ansätze zur Verbesserung von Welt und Gesellschaft. Die paar Regenwaldpfennige für einen Bierkasten, Wilkinson und Nike ritten in einzelnen Kampagnen voran – scheuen sich aber noch gewaltig vor Konsequenz!

Konsum ist entscheidend

Eigentlich könnten Marketing-Profis Menschen sein, die die Gesellschaft voranbringen. Marken könnten eigene Initiativen und Plattformen gründen und zumindest jeden Marketingeuro in sinnvolle Projekte stecken. Konsum ist ein „responsible statement“ an der Kasse – und offenbart Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe, wie das Marken eh oft intendieren. Oder Consumer Goods zieren sich mit bereits existierenden NGOs: Wenn man Entscheidungsspielraum hat, wieso sollte man nicht WWF-Besteck (!) und Brot für sich und „für die Welt“ kaufen? NGOs könnten sich auch nicht durch Spendengelder, sondern durch Kleidung finanzieren – das Logo oder Kragenschild verrät, dass man zu einem intimen Kreis gehört, der eine gute Idee unterstützt.

Vermutlich träte eine Gegenbewegung in Erscheinung, die unpolitisch sein will und am Supermarktregal lieber Unterhaltung in den Einkaufswagen lädt. Auch andere Statements kämen durch Kauf in Betracht: Wie bei Luxusmarken die Zugehörigkeit zu einer intimeren Gruppe gleich einem Club – mit zugehörigen Werten, Kultur und Lebensstilen. Ja, sobald diese ausgehöhlt werden und lediglich Exklusivität, Emotionen oder ein Lebensgefühl transportieren, gerät Content zu dem, was Werbung heute meistens ist. Ob es den präferierten Content gibt, entscheidet jeder Kauf eigentlich ja jetzt schon.